We want our country back!

Mi 01.03.17

Der Titel ist ein Zitat Nigel Farages, einem britischen Politiker der UK Independence Party (UKIP) – er schreit es richtiggehend: «Wir wollen unser Land zurück!» Es ist bezeichnend für die momentane Strömung in vielen Ländern auf der Welt: Polen, Türkei, USA, Russland, Grossbritannien und vielleicht auch bald Frankreich und die Niederlande. Es sind die Populisten, die das eigene Land schlecht reden. Aus unerfindlichen Gründen fällt dies auf fruchtbaren Boden – denn eigentlich geht es uns so gut wie noch nie in der Vergangenheit. Weltweit hungern so wenige Leute wie noch nie, wir werden so alt wie noch nie und wir sind so gesund wie noch nie. Viel mehr Menschen haben ein geheiztes und sauberes Dach über dem Kopf als früher.

Warum also, lassen sich so viele von den Sirenengesängen der Populisten verführen? Weil sie uns weismachen wollen, dass wir die Spitze des Wohlstandes erreicht haben und es nur wieder schlechter werden kann. Ihr einfaches Rezept: Alles bewahren wie es ist. So können wir auch unseren Wohlstand konservieren. Wenn es doch nur so einfach wäre! Der Wohlstand in der Schweiz beispielsweise, fusst auf unserer hohen Innovationskraft, schnellem Anpassen an neue Rahmenbedingungen und Offenheit für gute Ideen, die übrigens mehrheitlich von Einwanderern eingebracht wurden.

In der Schweiz ist zur Zeit nicht nur die Digitalisierung im Vormarsch, auch in der Energiewirtschaft ist ein disruptiver Prozess im Gang: Nach jahrzehntelanger Stromproduktion an wenigen zentralen Stellen, sind Mini-Produzenten auf dem Vormarsch. Viele kleine Kraftwerke speisen ihre Stromproduktion ins Netz ein. Das stellt die Netzbetreiber vor grosse Herausforderungen. Weil viele dieser Betreiber selbst auch Grossproduzenten sind, haben sie gar keine Freude an diesem neuen System. Der Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE) übte sich in der Vergangenheit mit Zukunftsprognosen, die allesamt stark daneben lagen. Darum publizieren sie seit neustem nur noch vier sehr unterschiedliche Energiewelten, die angeblich gleichwertig seien. Die Stuhlmetaphern unter www.strom.ch sprechen aber eine ganz andere Sprache.

Die politischen Kreise hinter den Grosskraftwerken wollen auf Biegen und Brechen an ihren alten Technologien festhalten und verkaufen ihre AKW als sauber und preisgünstig. Kräftig teilen sie aus und machen die neuen erneuerbaren Energien für den Preiszerfall verantwortlich. Was rein auf Grund deren europaweiten Anteile an der Strommenge ein Witz ist. Hauptverantwortliche für die tiefen Strompreise in Europa sind die billige Kohle und das billige Erdgas. Riesige Tonnagen werden zur Zeit in den Wärmekraftwerken verbrannt und billigster Strom auf den Spotmarkt geworfen. Sehr zum Leidwesen aller anderen Produktionsarten.

Das neue Energiegesetz, das am 21. Mai zur Abstimmung kommt, sorgt dafür, dass wir in der Schweiz eine Rechtsgrundlage haben, die umfassend den Umgang mit dem lebenswichtigen Gut Energie regelt. Dass dabei nicht alles beim Alten bleibt, versteht sich von selbst. Wenn wir in der Schweiz an der Spitze bleiben wollen, müssen wir uns bewegen. Das Festklammern an Technologien aus dem letzten Jahrhundert bringt uns nicht weiter.

Wir wollen unser Land nicht zurück – niemand hat es uns weggenommen. Die Angst, bei Veränderungen etwas zu verlieren ist natürlich sehr menschlich. Wollen wir aber wie das Kaninchen vor der Schlange erstarren? Bekanntermassen wird der Kleinhase dann nämlich gefressen. Bleiben wir also flink und sorgen dafür, dass neue Technologien unseren Wohlstand und unsere Gesundheit erhalten.

Winterthur, 1. März 2017, Jürg Altwegg, Gemeinderat und Stadtratskandidat