Baum-Krimi
Tatort Ecke Pflanzschulstrasse-Römerstrasse: Die Baumfällung vergangene Woche liess mir für einen Moment das Blut in den Adern gefrieren: Gegen den Willen des Gartenbesitzers und entgegen dem von ihm in Auftrag gegebenen Baumgutachten hat die Stadt eine 130 Jahre alte Buche geköpft. Wenn Sie diese Tage vorbei gehen, werden Sie sehen, was ich meine und dass diese Wortwahl passt. Der «Landbote» titelte «Stadt kürzt Buche auf sechs Meter», was sich so anhört, als wenn der Baum wieder nachwachsen könnte. Das wird er höchstwahrscheinlich nicht und sollte er doch wieder ausschlagen, heisst es trotzdem, dass diese Baumpersönlichkeit verstümmelt ist.
Das Gutachten der Stadt besagt, der Baum sei von einem Pilz befallen, in der Krone gäbe es viele tote Äste, der Baum drohe auf die Strasse zu stürzen und gefährde die Verkehrssicherheit. Letzteres ist das Totschlagargument schlechthin. Die silberhell schimmernde Borke der beiden mächtigen Stammstümpfe, die einem Mahnmal gleich noch in die Höhe ragen, sprechen eine andere Sprache: Der pilzbefallene Teil auf Brusthöhe miteingerechnet - strahlen sie grosse Gesundheit und Vitalität aus. Das im Auftrag des Baumbesitzers aufgegebene Gutachten bestätigt dies: Die toten Äste im Kronenbereich hätten entfernt und der Baum unten gesichert werden können. Dass der Gartenbesitzer sich bei der Stadt zu spät gemeldet habe, ist bei einer städtebaulich relevanten Rotbuche dieses Alters ein zu schwacher Grund für eine erzwungene Fällung. Dass nämlich die von dem Baum ausgehende Gefahr so akut gewesen sei, dass nicht einmal mehr Zeit für Gespräche und eine vertiefte Abklärung und Gegenüberstellung der beiden Gutachten gewesen wäre, scheint unrealistisch.
Der immense Schaden für den Gartenbesitzer, der fehlende Baumschatten, die minimierte CO2-Bindung und Biodiversität für die nächsten Jahre sind das eine, die Baumwunde für das ganze Quartier das andere. Bei allem Verständnis, dass Stadtbäume oft nicht eines natürlichen Todes sterben, wäre etwas mehr «Fäll-Hemmung» gerade in der Gartenstadt dringend angezeigt.
Polit-Kolumne in der Winterthurer Zeitung.
von Kathrin Frei Glowatz, Landschaftsarchitektin FH und Stadtparlamentarierin Grüne