Besser statt mehr
Niko Paech, Professor für Volkswirtschaft an der Uni Oldenburg, gilt als der konsequenteste Wachstumskritiker Deutschlands. Er stellt Forderungen von solcher Radikalität auf, dass auch einige Grüne zuerst einmal leer schlucken müssen. Am Samstag trat er in Winterthur auf.
Schonungslos ist seine Analyse: Unsere Gesellschaß sei schmutzig, ungerecht und funktioniere nur, weil wir die Rohstoffe anderer Länder plündern und damit auch gleich die Schädigung der Umwelt dorthin auslagern. Wenn kein Umdenken stattfinde, komme der Zusammenbruch. Wohl noch vor den Folgen der Klimaerwärmung werde eine allgemeine Verknappung der Rohstoffe - Paech spricht von «Peak Everything» - uns Veränderungen aufzwingen. Die explodierende Nachfrage in China und Indien nach strategischen Ressourcen wie Rohöl oder seltenen Erden werde dazu führen, dass wir uns unseren Lebensstil nicht mehr leisten können. Besser, als auf den Zusammenbruch zu warten, sei es, nachhaltige Gesellschaftsmodelle auszuprobieren.
Nachhaltiges Wachstum hält er für ein Hirngespinst. Mit ein paar wenigen Zahlen demaskiert er grünliberale Effizienzmythen: Was durch technischen Fortschritt gewonnen werden könne, werde durch steigenden Verbrauch gleich wieder aufgefressen. Produktion bedeute letztlich immer eine Schädigung der Umwelt. Um den CO2-Verbrauch auf 2 bis 3 Tonnen pro Jahr und Person zu senken - und das sei imperativ nötig -, komme man um eine Anpassung des Lebensstils hin zu einer Postwachstumsgesellschaft nicht herum. Die Rezepte dafür klingen zum Teil bekannt. Sie werden schon heute im Kleinen gefördert oder bereits gelebt: Gemeinschaftliches Nutzen von Konsumgütern, weniger Erwerbsarbeit bei mehr Selbstversorgung in Community-Gärten, Tauschbörsen, Repair-Cafes, Nachbarschaftshilfe, dies alles bei gleichzeitiger Entrümpelung und Entschleunigung des täglichen Lebens: Von welchen Konsum- und Komfortkrücken lassen sich unser Lebensstil und die Gesellschaft als Ganzes befreien? Auf die grössere politische Bühne gehören die Forderungen nach einer Bodenreform oder nach Vollgeld. Letzteres auch in Form von lokalen Währungen, damit die Kaufkraft an eine Region gebunden bleibt.
Paech schreckt auch vor wirklich radikalen Forderungen nicht zurück: So sei beispielsweise die wöchentliche Erwerbsarbeitszeit auf 20 Stunden zu beschränken. Autobahnen will er zur Hälfte zurückbauen, Flughäfen zu drei Vierteln. Mir scheint, Paech spricht vieles aus, was sich die Grünen nach 30 Jahren Realpolitik nicht mehr so recht zu sagen trauen.
Christoph Hug, Präsident Grüne Stadt Zürich
aus: P.S., 30. Okt. 2014, www.pszeitung.ch