Die Essbare Grünstadt
Statt langweiligen Wiesenstreifen und ungenutzten Brachen, mehr Rüebli, Zucchini, Tomaten und Kräuterpflanzen aus städtischen Grünflächen: Gemeinsam gesät, gepflegt und geerntet – auch Winterthur hat Potential zu mehr nachhaltiger Selbstversorgung.
Für die Natur wird es immer enger in der Stadt. Die Pflege städtischer Grünflächen ist unter permanentem Spardruck, Püntiker müssen vor dem Gewerbe weichen und Naturbrachen verschwinden unter Wohnüberbauungen. Dabei sind Erhalt und Nutzung von Freiflächen, Grünflächen und Grünzonen ausserordentlich wichtige Faktoren für den Erhalt der Lebensqualität in der Stadt. Nicht nur, aber auch um nicht für jede Minute Naturerlebnis gleich wieder ins Auto sitzen zu müssen. Warum nicht solche Flächen vermehrt wieder für den Anbau von Lebensmitteln einsetzen? Der Nutzen daraus ist gleich dreifach: Erstens entsteht ein nachhaltiger Beitrag zu unserem Essen, zweitens bleiben die Flächen dank biologischer Bewirtschaftung als ökologische Naturräume für Insekten und Vögel erhalten und drittens bieten gemeinsame Pflege und gemeinsames Ernten gesellschaftlich spannende Projekte für den Zusammenhalt im Quartier.
Andere Städte haben das bereits erfolgreich umgesetzt, zum Beispiel Andernach in Deutschland. Städtische Grünflächen werden dort seit 2008 für eine urbane Landwirtschaft genutzt und die Einwohner können in der Pflege mitwirken und von der Ernte profitieren. Neben den oben genannten positiven Faktoren gibt es noch einen vierten, der in Andernach damit konsequent gefördert wird: Das Bewusstsein der Bevölkerung für die biologische Vielfalt und der eigentlichen Herkunft unseres Essens. Auch in Schweizer Städten bewegt sich immer mehr zum Thema „Urban Gardening“. So sind in Basel – dank privater Initiative und der Unterstützung durch die Stadtverwaltung – in den letzten Jahren viele Dutzende von Gemeinschaftsgärten entstanden. Auch in Zürich hat sich die Stadtgärtnerei kürzlich dafür ausgesprochen solche Projekte zu fördern und zu unterstützen.
Und in Winterthur? Auch hier haben erste Projekte erfolgreich Fuss gefasst. Seit mehreren Jahren schon betreibt der Verein Gartenstadtgärten im Büel (Heiligberg) einen Gemeinschaftsgarten. Im Schloss Hegi wurde ein Teil des ehemaligen Schlossgartens, zusammen mit Pro Specia Rara, für den gemeinschaftlichen Anbau von seltenen Sorten umgenutzt, und kürzlich enstand auch im Kreis Mattenbach ein neuer grosser Gemeinschaftsgarten von rund 1000m2 Fläche, wo jedermann und jedefrau noch zum Mitgärtnern eingeladen ist. Am Samstag, 4. Juli findet dort ein „offener Gartentag“ statt, an dem sich Interessierte bei einem kleinen Fest gleich vor Ort informieren können (Mehr dazu unter: http://livingroom-winterthur.ch/).
Wir sind überzeugt, dass Winterthur noch mehr solche Flächen hat, die sich für diese Art der Nutzung eignen. Da sich ein Grossteil des entsprechenden Bodens im Besitze der Stadt befindet benötigt es für solche Projekte in der Umsetzung auch die Unterstützung der öffentlichen Hand, zum Beispiel für eine kostengünstige Verpachtung des Grundstücks an eine lokale Interessierten-Gruppe. Die Grünen Winterthur haben deshalb im Grossen Gemeinderat eine Interpellation eingereicht, welche diesen Fragen nachgeht und anregt, das Thema vermehrt in die offizielle Grünstadt-Politik aufzunehmen. Neben der Pflege und dem Erhalt von Erholungs- und Freitzeitgrün sollte der „Essbaren Stadt“ künftig mehr Gewicht verliehen werden. Der Umgang damit kann neben dem Ertrag und dem gemeinsamen Erlebnis dazu beitragen, das Verständnis für landwirtschaftliche Fragen zu fördern und somit auch Stadt und Land einander wieder näher zu bringen.
28. Juni, Reto Diener, Gemeinderat Grüne, Winterthur