Mindestens ein Mindestlohn…

Di 09.05.23

Haben Sie sich schon mal überlegt, ob die Person, die Ihnen Speisen und Getränke serviert, unter Umständen unter der Woche noch einer anderen Arbeit nachgeht und am Wochenende einen Zweitjob ausübt, damit sie überhaupt über die Runden kommt? Haben Sie eine Tageszeitung abonniert und sich schon mal Gedanken darüber gemacht, dass der oder die Verträger:in mitten in der Nacht die Zeitung in Ihren Briefkasten legt, damit Sie sich beim morgendlichen Kaffee über das aktuelle Geschehen informieren können? Und wissen Sie, dass diese Zeitungsverträger:innen auch bei einem 100% Pensum zu wenig verdient, um das Leben meistern zu können?

Am 18. Juni 2023 stimmen wir in Winterthur über die Mindestlohn-Initiative ab. Rund 3'600 Menschen verdienen in unserer modernen und wachsenden Stadt weniger als 4'000 Franken auf 100% Arbeit – ein Lohn, der kaum zum Leben reicht. Die Betroffenen reinigen Hotels und Büros, arbeiten im Detailhandel oder im Gastgewerbe. Zwei Drittel der Betroffenen sind Frauen! Die dringend notwendige Anpassung der Tieflöhne nach oben ist ein wichtiger Schritt im Bereich der Gleichstellung.

Menschen die 100% Prozent arbeiten, sollen von ihrem Lohn Leben können. Sie sollen am sozialen Leben teilnehmen und auch Freizeit geniessen können. Leider sind wir davon noch weit entfernt. In einigen Fällen wären Tieflohn-Betroffene trotz eines Vollzeitarbeitspensums gezwungen, Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen, damit sie am Monatsende wenigstens ihren finanziellen Verpflichtungen nachkommen können. Um diesen Schritt zu umgehen, arbeiten sie in zwei oder drei Jobs benötigen, um über die Runden zu kommen. Auffallend dabei ist, dass sogenannte «Working Poor» zu extrem tiefen Löhnen häufig in Schicht- und Wochenenddiensten arbeiten, was dazu führt, dass für die Familie und die Teilnahme am sozialen Leben keine Zeit mehr übrigbleibt. Gerade für das gemeinsame Familienleben ist dies eine enorme Einschränkung und Belastung. Und wenn wir den Faden weiterspinnen, stellen wir fest, dass genau diese Menschen, die schon während ihres Arbeitslebens keine Existenz sichernde Entlöhnung erhalten, später in die Fänge der Altersarmut geraten. Ihnen steht nur eine kleine AHV- und Pensionskassen Renten zur Verfügung. Unternehmungen, die heute beim Lohn einsparen, verlassen sich darauf, dass die Allgemeinheit Kosten von morgen für die Ergänzungsleistungen bezahlt.

…das ist das Mindeste! Sagen Sie JA am 18. Juni 2023.

Renate Dürr, Stadtparlamentarierin Grüne Winterthur